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02. Mai 2024

Mietzinsminderung bei Durchführung von Baumaßnahmen im innerstädtischen Bereich

Information für Mieter

Gerade im Hinblick auf zahlreiche Großprojekte der Gemeinde Wien, die Gemeindebauten betreffend und der damit einhergehenden, oftmals chaotischen Bauführung zulasten der betroffenen Mieter wollen wir hier einen kleinen Überblick über die Möglichkeit der Mietzinsminderung in diesem Zusammenhang geben und aufzeigen, was nötig ist, um seine Ansprüche zu sichern und zumindest einen wirtschaftlichen Druck aufzubauen, wenn man schon gezwungen ist, das Ungemach zu erdulden.

Das Recht auf Mietzinsminderung oder Zinsbefreiung steht dem Mieter auch dann zu, wenn der Vermieter die Beeinträchtigungen nicht zu vertreten hat, d. h. es ist verschuldensunabhängig. Die Mietzinsminderung beginnt nach dem Gesetz ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw. ab einer Gebrauchseinschränkung des Mietobjekts und dauert bis zum Zeitpunkt der Behebung des Mangels an.

WICHTIG: Die Mietzinsminderung setzt eine Anzeige des Mangels voraus. Da die vorbehaltlose und ohne Irrtum erfolgte Zahlung des Mietzinses trotz Kenntnis des Mangels unter Umständen als schlüssiger Verzicht auf den Mietzinsminderungsanspruch gewertet wird, ist es über die Mängelanzeige hinaus wichtig, den Vermieter darüber in Kenntnis zu setzen, dass „die weitere Zahlung des vollen Mietzinses vorbehaltlich des gesetzlichen Mietzinsminderungsanspruchs erfolgt“.

In einem geschlossenen Siedlungsgebiet, in dem auch bei gleichbleibenden Charakter mit gelegentlichen baulichen Maßnahmen (Schließung von Baulücken, Umbauten, Erweiterungen, Reparaturen) gerechnet werden muss, sind die von solchen baulichen Maßnahmen ausgehenden Immissionen grundsätzlich als ortsüblich anzusehen sind und – soweit sie auch bei schonungsvoller, die Interessen der Anrainer berücksichtigender Bauführung unvermeidbar sind – von jedem Nachbarn hinzunehmen (sog “Baulärmprivileg“ OGH 5 Ob 57/13p).

Das „Baulärmprivileg“ betrifft lediglich Baulärm, jedoch nicht andere von der Baustelle ausgehende Immissionen. Zum Baulärm gehört auch der Lärm, der durch die zu- und abfahrenden Baustellenfahrzeuge verursacht wird. Von der Baustelle ausgehende Immissionen wie z. B. Erschütterungen, die Schäden an Gebäuden verursachen, sind vom „Baulärmprivileg“ nicht umfasst. Solche schwerwiegenden Beeinträchtigungen können nicht als ortsüblich angesehen werden.

Nächtliche Lärmbelästigung und die wiederholte Störung der Nachtruhe (zwischen 22 und 7 Uhr) ist in Wohngegenden jedenfalls im Hinblick auf § 364 Abs 2 ABGB unzulässig. An Sonn- und Feiertagen bzw. während der ortsüblichen Mittagsruhe ist Lärm d.h. Geräuschentwicklungen ebenfalls zivilrechtlich unzulässig. Bei Lärmbelästigungen liegt in der Regel die Obergrenze bei 25 Prozent (OGH 8 Ob 526/90).

Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung zur Orientierung:

• Unbenutzbarkeit der Terrasse/des Balkons infolge einer Sanierung oder Verschmutzung berechtigt zu einer Mietzinsminderung in Höhe von 15 Prozent (LGZ Wien 38 R 39/11h, LGZ Wien 39 R 61/06v). Verschmutzte und verwahrloste allgemeine Teile (Stiegenhaus) über längeren Zeitraum (5 Prozent LGZ Wien 39 R 61/06v).

• Deckendurchfeuchtung und Durchfeuchtung der Trennmauern berechtigen zur Mietzinsminderung abhängig vom Zustand der Wohnung während des relevanten Zeitraumes und der Einschränkung der Befriedigung des Wohnbedürfnisses. Wenn für die Austrocknung auch eine Durchlöcherung der Decke notwendig ist, ist die ganze Wohnung unbrauchbar (100 Prozent) auch wenn nicht die ganze Wohnung betroffen ist (LGZ Wien 41 R 384/84). Ebenso wenn durch den Wassereintritt der die Einrichtung (Fußboden und Tapeten) beschädigt ist und die Wohnung deshalb nicht einmal durchschnittliche brauchbar ist (100 Prozent LGZ Wien 41 R 139/82).

• Sperre der Gaszufuhr wegen Undichtheit der Leitungen, Unbrauchbarkeit des Elektroherds, mangels Erdung gefährliche Elektroleitungen (100 Prozent LGZ Wien 40 R 266/98h).

• Längere Zeit hindurch ist das Mietobjekt ohne Strom- und Wasserversorgung. Der Mieter kann das Bestandobjekt nur zur Einstellung von Fahrnissen gebrauchen (80 Prozent LGZ Graz 3 R 241/86).

• Vorübergehendes Fehlen der Wasserversorgung (50 Prozent LGZ Graz 3 R 307/94). • • Abschalten der Stromzuleitung zum E-Herd (20 Prozent LGZ Graz 3 R 25/83).

• Bei oberflächlichem Schimmelbefall 0 Prozent Mietzinsminderung, wenn der Schimmel ohne Aufwand jederzeit entfernt werden kann, über Schimmelpilzbildung im Bad infolge Fehlens einer Lüftungsmöglichkeit von 10 Prozent bis hin zu 100 Prozent bei nachgewiesener Gesundheitsgefährdung, wenn die Schimmelbildung nicht auf das Nutzungsverhalten des Mieters zurückzuführen ist und zwei von drei Haupträumen der Wohnung betroffen sind.

• Verschmutzte und verwahrloste allgemeine Teile (Stiegenhaus) über längeren Zeitraum (5 Prozent LGZ Wien 39 R 61/06v). Bei einer Generalsanierung mit Austausch von 200 Fenstern, Erneuerung der Steigleitung, Einbau eines Aufzugs mit erheblicher Lärm- und Staubbeeinträchtigung wurde für den gesamten Zeitraum der Beeinträchtigung durch sämtliche Baumaßnahmen, welche durchaus nicht alle gleichzeitig und in der gleichen Intensität vorgelegen sind, ein durchschnittlicher „pauschalierter“ Mietzinsminderungssatz von 10 Prozent angenommen (MietSlg 70.139, LGZ Wien, 38 R 80/18y).

Zu beachten ist aber, dass man die Störung und ihr Ausmaß nachweisen muss. Man sollte also mittels Lärmprotokoll (Lärmtagebuch) und Fotodokumentation rechtzeitig für eine möglichst vollständige Beweissicherung sorgen.

Die Experten des Österreichischen Mieterschutzrings beraten Sie in diesem Zusammenhang gerne.

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